Manchmal wäre der Endokrinologe lieber Chirurg
Verzweifeln können manche Endokrinologen über die Effizienz einiger Diabetestherapien. Die Blutzuckerwerte oszillieren zwischen Hyper- und Hypoglykämie, die Patienten nehmen präventiv vermehrt Kohlenhydrate auf, das Gewicht ist nicht in den Griff zu bekommen, und die Blutzuckerwerte sind weit davon entfernt stabil zu sein.
Ein Licht am Horizont der Diabetestherapie kommt aus der Adipositas-Chirurgie, die sich seit kurzem als Metabolische Chirurgie bezeichnet. In dieser Disziplin gelingt es erstmals, einen manifesten Diabetes mellitus Typ 2 zu kurieren, indem ein Magenband, ein Magenbypass oder eine andere restriktive chirurgische Intervention durchgeführt wird. Die wissenschaftliche Evidenz ist durch große Studien belegt, es zeigen sich direkte Wirkungen auf den Stoffwechsel des adipösen Diabetikers, die unabhängig von der Gewichtsabnahme sind.
Vor allem eine Studie von Professor Lars Sjöström von der Universität Göteborg belegt als Langzeituntersuchung bei etwa 4.000 Patienten, dass deren Gesamtsterblichkeit nach zehn Jahren um 29 Prozent reduziert wird im Vergleich zu einem konservativ behandelten Kollektiv. Dass dies auch der effektiveren Gewichtsreduktion durch metabolische Chirurgie geschuldet ist, steht außer Frage. Im Vergleich zu den konservativ Behandelten, die in diesem Zeitraum um 1,3 kg Gewicht zulegten, konnte eine Gewichtsreduktion bei den operierten Patienten um 19,3 kg dokumentiert werden.
Damit sind die Erfolge der Metabolischen Chirurgie aber nicht alleine begründbar, erfuhr man während der Pressekonferenz der Expertengruppe Adipositas-Chirurgie in Hamburg, wo der Weltkongress ISFO (XVI. Weltkongress der International Federation for Surgery and Metabolic Disorders) stattfand. Als Kongresspräsident konnte Professor R. Weiner, Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt, den unschätzbaren Einfluss auf die metabolischen Stoffwechselsituation dieses Kollektivs schildern. Dass Übergewicht und Typ-2-Diabetes meist Hand-in-Hand gehen, ist bekannt und kennzeichnet den Alltag von Diabetologen, Internisten und Endokrinologen.
Weil es bei mehr als 70 Prozent der Diabetiker nach der Metabolischen Chirurgie zu einer Diabetes-Remission kommt, die viele Patienten aus der Insulinpflicht herausführt, wird ein Erfolg erzielt, der durch keine andere Therapie bisher erreicht werden konnte.
„Den Diabetes zu kurieren erweist sich für die Volks- und Gesundheitsökonomie als gigantischer Einspareffekt, und schützt die Betroffenen vor den Folge- und Langzeitschäden oder frühzeitiger Berentung“, so Weiner.
Aus diesem Grund wünschte sich Professor Matthias Blüher aus Leipzig manchmal Chirurg zu sein, um seine Diabetiker zu heilen. Die endokrinologischen Mechanismen der Chirurgie erklärt er durch die positive Beeinflussung gastrointestinaler Hormone, die das Hungergefühl senken und dazu beitragen, dass der Mensch mit geringerer Nahrungsaufnahme länger satt ist. Damit wird durch Gewichtsreduktion, bei gleichzeitiger Remission der diabetischen Stoffwechsellage, ein lange ersehntes Ziel der Endokrinologen erfüllt.
Inzwischen wurde der Weg zur intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit eingeschlagen, den der Endokrinologe, Internist, Chirurg, Diätassistent und Psychotherapeut gemeinsam zum Wohle des adipösen Diabetikers gehen. Das pathophysiologisch orientierte Gesamtkonzept fördert die Finanzierung durch die Krankenkassen, weil die Bedrohung durch Komorbiditäten der Adipositas und des Diabetes, und damit die Kosten für die Leistungszahler, erheblich reduziert werden.
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Weiterführende Informationen
Pressegespräch „Der depressive Patient in der niedergelassenen Praxis – eine Mission für Zwei“, Lilly Deutschland GmbH, 11.05.2011, Kaiserslautern.
1. Moussavi S et al., Lancet 2007;370:851-8
2. Gandjour A et al., Int Clin Pharmacol 2004; 19(4):201-208
3. Greco T et al., J Gen Intern Med 2004; 19:813.818.
4. Hirschfeld R et al., Poster APA 2006, Toronto, Kanada.
5. Fava M et al., J Clin Psychiatry 2004;65:521-530.
6. Simon GE et al., N Engl J Med 1999; 341:1329-1335.